30. Juni 2023

[Rezension] Karin Seemayer - "Bergleuchten"

Karin Seemayer - Bergleuchten
Historischer Roman
 

 ISBN-13: 978-3-746-63984-0
 Seiten: 477 Seiten
 Erschienen: 19.6.2023
 Umschlaggestaltung: U1berlin, Patricia Di Stefano unter  Verwendung eines Bildes von © Public Domain Dedication

   
Buchrückentext
„Göschenen, 1872: Helene begleitet ihren Vater oft auf seinen Fahrten über den gefährlichen Gotthardpass. Als ein Tunnel durch den Berg gebaut werden soll, fürchten die Fuhrhalter um ihre Existenz, die Bergarbeiter aus Italien sind Anfeindungen ausgesetzt. Auch wenn ihre Eltern dem Mineur Piero ein Zimmer auf ihrem Hof anbieten, weiß Helene, dass sie eine Verbindung niemals billigen würden – und doch geht er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Als es im Tunnel immer häufiger zu schweren Unfällen kommt, muss sie schon bald um Pieros Leben bangen. “

Meine Meinung
Dieser historische Roman beschäftigt sich mit dem Bau des Gotthard-Tunnels, der nach 10 Jahren im Jahr 1882 fertiggestellt und eingeweiht wurde. Die Autorin hat dieses Thema mit einer Liebesgeschichte verknüpft und so einen unterhaltsamen, aber auch lehrreichen Roman geschaffen.

Die Geschichte spielt vorwiegend in Göschenen, einem kleinen Dorf auf Schweizer Seite. Hier - genauso wie in Airolo, einem kleinen Ort auf der Gegenseite des Gotthard-Passes - startet der Bau des Gotthard-Tunnels unter der Leitung von Louis Favre. Nicht alle sind von dem Vorhaben überzeugt, denn nicht nur führt der Bau viele italienische Arbeiter in die kleinen Dörfer und verändert so das Leben der dort Ansässigen, auch der Bau selber ist mit Gefahren gespickt. Franz Herger ist Fuhrmann und fürchtet zwar, dass der Tunnel seinen Job kosten wird, weil ihn dann niemand mehr braucht, um Waren über den Berg zu transportieren, andrerseits sieht er in der Baustelle auch seine Chance, denn auch Baumaterialen müssen transportiert werden, und dafür werden Fuhrmänner gebraucht. Seine Tochter Helene ist ihm eine große Hilfe, doch leider wird sie als Frau den Betrieb nicht übernehmen können. Doch den ihr zugedachten Ehemann liebt sie nicht, dafür aber schlägt ihr Herz höher, wenn sie Piero trifft, ein bei der Familie wohnender italienischen Mineur, der extra für den Bau des Gotthard-Tunnels gekommen ist. Doch die Italiener und so auch er sind im Dorf nicht gerne gesehen.

Ich habe diese Geschichte gerne gelesen, auch wenn im zweiten Teil die Liebesgeschichte mehr Raum einnimmt, als ich gedacht hätte. Die zehn Jahre des Tunnelbaus hat die Autorin toll beschrieben, und da der Fokus aber immer auf den Menschen liegt, wird es nie zu technisch. 

Helene bildet den Mittelpunkt der Geschichte, eine junge Frau, die ich sofort ins Herz geschlossen habe. Sie ist anpackend und patent, lässt sich von damals geltenden Konventionen nicht so schnell unterkriegen und kämpft für ihre Überzeugung. Der Tunnelbau bringt für die Menschen viele Probleme mit sich. Interessant fand ich, dass schon damals Migranten ausgegrenzt wurden, denn die für Favre arbeitenden Italiener waren im Dorf nicht gerne gesehen – vieles wurde ihnen in die Schuhe geschoben und viele Vorurteile geschürt – dabei hatten sie mit den schrecklichen Arbeitsumständen zu kämpfen, und nicht jeder hat den Bau auch überlebt. Es gab Krankheiten und Unfälle, immer wieder Explosionen und eine ganze Menge Tote. Das alles gerät schnell in Vergessenheit, wenn man heute durch den Tunnel fährt. Die Autorin hat dabei sehr gut recherchiert und die zehn Jahre des Baus in einzelne Kapitel gefasst. Ich fand die technischen, aber sehr verständlichen Beschreibungen des Tunnelbaus sehr interessant, man muss aber keine Angst haben, dass sich die Autorin hier verloren hat. Ganz im Gegenteil – gerade im zweiten Teil steht die Liebesgeschichte weit mehr im Vordergrund, und der Tunnelbau bietet nur noch die Rahmengeschichte. 

Piero ist ebenfalls ein sympathischer Charakter, er hat ein großes Herz und  sticht mit seinen Gedanken und Handlungen aus der Menge der Bauarbeiter raus. Aber auch er ist nicht einfach immer nur gut – sein Jähzorn hat ihm schon viel Ärger eingebracht, zum Glück aber hat er daraus auch seine Lehren gezogen. 

Es gibt noch viele weitere Figuren, die allesamt gut gestaltet sind und das Dörfchen Göschenen mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Gesichtern Leben einhaucht – da gibt es Griesgrame und Neider, genauso aber Wohlgesinnte und Hilfsbereite. Dazu kommt, dass die Autorin einen tollen Schreibstil hat und durch Beschreibungen viele Bilder in meinem Kopf schaffen konnte. Dabei kann sie sowohl die Landschaft als auch das Dorf selber so gut darstellen, dass ich mich als Teil gefühlt habe. Es gibt viele Bilder, die die Atmosphäre sehr gut einfangen - egal, ob es die Natur oder eben das Dorfleben ist. 

Das Ende stimmt zwar versöhnlich, mir aber war es dann doch zu viel des Guten. Insgesamt habe ich das Buch aber sehr gerne gelesen und bin gerne in die Schweizer Berg- und Dorfwelt eingetaucht.

Mein Fazit
Ausgangspunkt de Geschichte ist der Bau des Gotthard-Tunnels, ein Thema, das mich sehr begeistern konnte. In der zweiten Hälfte tritt dann zunehmend eine Liebesgeschichte in den Vordergrund, und gerade das Ende ist nicht nur versöhnlich, sondern etwas zu gut gemeint. Trotzdem habe ich das Buch sehr gerne gelesen, weil der Schreibstil einnehmend und voller Gefühl ist und durch die tollen Beschreibungen viele Bilder in meinem Kopf entstanden sind. Das Buch empfehle ich daher auf jeden Fall gerne weiter.

WERBUNG: Vielen Dank an Vorablesen und den Aufbau-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

2 Kommentare:

  1. Liebe Sabine,
    ich habe den Roman auch so empfunden wie du und ebenfalls vier Sterne vergeben.
    Besonders die technischen und gesellschaftlichen Hintergründe zum Bau des Gotthardtunnels fand ich so interessant und anschaulich geschildert, das findet man nicht so häufig so detailliert in Romanen.

    Liebe Grüße
    Barbara

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    1. Ja - es war vor allem auch noch mal ein ganz neues Thema - zunmindest für mich. :-)

      LG Sabine

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