27. April 2023

[Rezension] Claudia Schumacher - "Liebe ist gewaltig"

Claudia Schumacher - Liebe ist gewaltig
Gegenwartsliteratur
 

ISBN-13: 978-3-839-81961-6
Dauer: 432 Minuten
Erschienen: 29.6.2022
Ersterscheinung: 18.5.2022
Sprecherin: Inka Löwendorf

   
Zum Inhalt
„Juli wächst in einer Vorzeigefamilie auf: Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie ist Klassenbeste. Doch in der Kleinstadtvilla herrscht das Grauen. Der Vater drillt die Kinder auf Leistung, prügelt sie und seine Frau. Juli wird älter, fordert ein Ende der Gewalt, deren Realität von der Mutter vehement abgestritten wird. Einzig ihre Geschwister und eine Maus geben Halt. Doch wie kann man sich befreien, wenn man weder den Eltern noch den eigenen Erinnerungen traut? Die Befreiung gerät zum Feldzug – gegen die Eltern und das eigene Ich. Drei Jahrzehnte folgen wir Juli, die mit aller Macht versucht, die Deutungshoheit über ihr Leben zu erlangen.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ein sehr starker Debüt-Roman, und ich hoffe, die Autorin wird noch weitere Bücher schreiben!

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Juli, die man über etwa 30 Jahre in ihrem Leben begleitet. Sie wächst mit ihrer angesehenen Familie mit drei Geschwistern in einem kleinen Ort in Deutschland auf. Ihr Vater ist Anwalt, wichtig ist ihm Leistung – und das erwartet er auch von seinen Kindern. Seinen „Wunsch“ setzt er mit Worten als auch körperlicher Gewalt um. Die Mutter verschließt die Augen, so dass die Kinder dem gewalttätigen Vater schutzlos ausgesetzt sind. Juli schafft es, sich zu befreien, und man begleitet sie im zweiten Teil des Buches in ihrem Studium, das sie durch professionelles Gaming finanziert. Doch sie ist geprägt durch ihre brutale Kindheit und kann von ihren Dämonen nicht loslassen. Im dritten Teil geht es dann um ihr Leben nach dem Studium – und auch hier wird deutlich, wie sehr sie durch ihr Elternhaus geprägt wurde.

Erzählt ist die Geschichte aus Sicht Julis – ihre harte, zynische und ehrliche Ausdrucksweise mag zunächst verstören, zeigt aber Julis Schmerz und hat sie mir sehr nahe gebracht. Sie nimmt bei den Schilderungen dessen, was die drei Geschwister zu Hause durchmachen, kein Blatt vor den Mund, und ich konnte die Qualen geradezu spüren, die die drei durchmachen. Ich finde gut, dass das Thema so ehrlich und offen angesprochen ist, denn sicher ist dies kein Einzelfall und auch eine vermeintlich heile Welt kann brutal und verletzend sein. 

Juli ist eine beeindruckende Figur – so cool sie durch ihre umgangssprachlich zynische Art auch wirkt, so verletzlich ist sie im Inneren – und es ist erschreckend, dass sie sich zwar räumlich von ihren Eltern trennen kann und auch finanziell unabhängig ist, sie aber dennoch durch den Drill so geprägt ist, dass sie die gelernten Konventionen eben nicht einfach so abstreifen kann. Unbewusst lebt sie weiter nach diesen Konditionierungen, und es braucht, bis sie das erkennt. Als Außenstehender mag das alles offensichtlich sein,  steckt man aber drin in dieser Situation, ist es das ganz sicher nicht. Umso mehr ziehe ich meinen Hut vor Juli, wie sie im letzten Teil des Buches dann reagiert. 

Inka Löwendorf als Sprecherin ist eine hervorragende Wahl – sie hat eine jugendliche Stimme und passt daher sehr gut zu der jungen Juli, sie hat aber auch eine gewaltige und durchdringende Stimme, die diesem schwierigen Thema sehr gerecht wird. 

Selten sage ich etwas zu dem Titel eines Buches, diesmal aber ist es mir ein Bedürfnis auf diesen gleich auf mehreren Ebenen unglaublichen passenden und sehr starken Titel hinweisen – mich hat er kalt erwischt, und gerade auch nach Beenden des Buches hallt er noch nach. 

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