22. August 2022

[Rezension] Fjodor Dostojewski – "Schuld und Sühne"

Fjodor Dostojewski – Schuld und Sühne
Klassiker
 

 Originaltitel: „Prestuplenije i nakasanije“ (1866)
 Übersetzer: E. K. Rahsin
 ISBN-13: 978-3-86231-728-8
 Dauer: ungekürzt, 1468 Minuten
 Erschienen: 18.3.2016
 Sprecher: Gerd Wameling 

   
Zum Inhalt
Petersburg in den 1860er Jahren. Der Student Raskolnikow glaubt sich im Recht, als er eine gierige alte Pfandleiherin und deren Schwester erschlägt. Zwar gilt er schon bald als Hauptverdächtiger, aber aus Mangel an Beweisen kann er nicht gestellt werden. Doch in ihm wachsen Schuldgefühle und ein innerer Drang, für seine Verbrechen büßen zu müssen. Er durchlebt eine qualvolle psychische Belastungsprobe, die sein Weltbild grundlegend ins Wanken bringt.

Meine Meinung
Ein Klassiker der Weltliteratur, da wage ich kaum, meine Eindrücke zu schildern. Ich hatte mal angefangen, das Buch zu lesen und weiß noch, dass mich der Schreibstil von Dostojewski begeistert hat, ich dann aber doch an seinen langen philosophischen Gesprächen und Gedanken gescheitert bin. Beim Hörbuch nun habe ich durchgehalten – und ich muss sagen, dass mir dieser Klassiker gut gefallen hat.

Thomas Mann bezeichnete dieses Buch als den besten Kriminalroman aller Zeiten – für mich aber ist es kein klassischer Krimi, in dem ein Mörder gesucht wird; zwar gibt es einen Mord, vielmehr aber stehen die Gründe der Tat und damit verbundene Weltanschauungen im Mittelpunkt der Geschichte.

Es sind viele Themen, die in diesem Buch eine Rolle spielen - neben der titelgebenden „Schuld und Sühne“ ist es vor allem die Zeit und Gesellschaft, die der Autor in den Mittelpunkt rückt, diese grenzenlose Armut im Petersburg der 1860er Jahre, wie die Menschen sich abmühen, um zu überleben und was sie tun, um überhaupt etwas zu essen zu bekommen. Dazu kommen aber auch ganz unterschiedliche Weltansichten – gibt es wirklich die Guten und die Bösen, solche mit Existenzberechtigung und solche, die keine besitzen, da sie nur ausbeuten und richten? Viele Gespräche und Gedanken drehen sich um diese Themen und an mancher Stelle wäre mir sicher auch der Atem ausgegangen, wenn ich das Buch selber gelesen hätte. Als Hörbuch aber konnte ich mich einfach zurücklehnen und dem Geschehen lauschen – vielleicht ist mir dabei auch schon mal etwas der Tiefe entgangen, trotzdem aber hatte ich viele Anregungen zu eigenen Gedanken, die auch nach Beenden noch weiter nachhallen.

Die Charaktere sind großartig gezeichnet. Der im Mittelpunkt stehende Raskolnikow war mir nicht besonders sympathisch – nicht nur, weil ich seine These, dass außergewöhnliche Menschen, zu denen er sich selber zählt, andere, „einfache“ Menschen opfern dürfen, wenn damit der Menschheit geholfen wird, nicht teile, sondern weil ich ihn als weinerlich und schwach empfunden habe, ein Mann, der die Schuld stets bei anderen sucht, nie bei sich selber und der sich in kritischen Situationen in Ohnmachten und Krankheit „rettet“. Er macht sich aber viele Gedanken, und es braucht Zeit und viele Gespräche, bis er seine Meinung ändert. Die Frauen in der Geschichte sind ganz im Zeichen der damaligen Zeit gezeichnet – Schwester Dunja, die des Geldes wegen heiraten soll, Sonja, die sich prostituiert, um ihrer Familie ein Überleben zu ermöglichen, die Pfandleiherin, die letztlich auch nur überleben will und dafür dann sterben muss. Gefallen hat mir der Ermittlungsrichter Porfirij, der Raskolnikow immer wieder in Gespräche verwickelt und letztlich des Mordes überführt, der immer wieder psychologische Spielchen mit ihm betreibt und damit tief in seine Seele sticht. 

Sprachlich ist die Geschichte zwar gut zu lesen und auch gut zu hören, dabei aber dennoch durch viele lange Dialoge, Diskussionen und Disput anspruchsvoll, insbesondere, da Dostojewski dazu neigt, sich gedanklich auch schon mal im Kreis zu drehen. 

Gerd Wameling als Sprecher ist großartig – er hat jeder Figur mit seiner variablen Stimme Leben eingehaucht und in den langen Dialogen voller Inbrunst und Überzeugung die verschiedenen Ansichten vorgetragen. Durch seine lebendige Art, das Buch einzulesen, hat er mich richtiggehend eingenommen.
Ich gebe diesem Hörbuch 4 von 5 Sternen.


3 Kommentare:

  1. Schönen guten Morgen!

    Ich muss gestehen, dass ich an dem Buch damals gescheitert bin. Der Stil war von Anfang an nicht so meins - obwohl ich nicht weiß, wie es mir heute damit gehen würde, es ist schon recht lange her, seit ich das ausprobiert habe ... sicher schon 20 Jahre :D
    Was du beschreibst klingt eigentlich sehr faszinierend, aber ich weiß nicht, ob ich mich durch diese eben doch langen Passagen "durchquälen" könnte.

    Aber ich freu mich, dass du es jetzt mit dem Hörbuch geschafft hast und es dir insgesamt gefallen hat :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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  2. allo Aleshanee,

    bei Klassikern hatte ich das schon häufiger, dass ich mit dem Hörbuch besser klargekommen bin. Bei Dostojewski schätze ich die Charakterisierungen, die er immer sehr gut hinbekommt!

    LG Sabine

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  3. Ahoi Sabine,

    viel zu lange bin ich nicht mehr zum Stöbern & Kommentieren (vorbei) gekommen! Doch jetzt bin ich mal etwas länger an Land und habe Zeit für die Blogwelt :)

    Ach ja, das Klassikerlesen (oder -hören)... nie ganz leicht, aber gibt irgendwie immer nen gutes Gefühl, finde ich, wenn man wieder einen "geschafft" hat. Aber schön, dass dir Schuld und Sühne so weit gefallen hat :) Von Dostojewski habe ich noch nichts gelesen.

    Ach ja, wenn du magst: Mein Bordbericht vom Monat auf der Pelican & was ich da eigentlich gemacht habe, ist mittlerweile online :)

    Liebe Grüße
    Ronja von oceanloveR

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