Stuart Turton – Der Tod und das dunkle Meer
Kriminalroman, historische Fiktion
Originaltitel: „The Devil and the Dark Water“
Übersetzerin: Dorothee Merkel
Verlag: Tropen-Verlag
ISBN-13: 978-3-608-11671-7
Seiten: 608 Seiten
Erschienen: 21. August 2021
Umschlaggestaltung: Zero-Media.net, München
Umschlagabbildung: Emily Faccini
Zum Inhalt
„1634: Mord auf hoher See. Ein Schiff auf dem Weg von Indonesien nach Amsterdam. Eine dunkle Prophezeiung und ein genialer Detektiv, der selbst Gefangener ist. Samuel Pipps und sein Assistent Arent Hayes stehen vor dem Fall ihres Lebens, denn der Teufel ist mit an Board.
Gerade noch hat Samuel Pipps im Auftrag der mächtigen Männer der Ostindien-Kompanie einen kostbaren Schatz in der Kolonie Batavia wiedergefunden. Nun befindet er sich auf dem Weg zu seiner Hinrichtung. Sein Assistent und Freund Arent Hayes ist mit an Bord der Saardam. Genau wie der Generalgouverneur und seine Frau Sara Wessel. Doch kaum auf See, beginnt der Teufel sie heimzusuchen. Unerklärliche Morde geschehen, und ein Flüstern weht durch das Schiff, das alle an Bord dazu verführt, ihren dunkelsten Wünschen nachzugeben. Pipps muss seinem Freund Arent und Sara dabei helfen, ein Rätsel zu lösen, das alle Passagiere verbindet und weit in die Vergangenheit zurückreicht. Bevor das Schiff sinkt und sie alle in die Tiefe reißt.“ (Quelle: Verlagsseite)
Meine Meinung
Diese Rezension wird genauso schwer wie die zu Stuart Turtons erstem Buch „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ – denn auf der einen Seite haben mir einige Dinge sehr gut gefallen, andere dagegen gar nicht.
Die Geschichte spielt im Jahr 1634, vorwiegend auf einem Schiff auf dem Weg von Batavia nach Amsterdam. An Board befindet sich wertvolle Ware, aber noch bevor es losgeht, verflucht ein zungenloser Aussätziger das Schiff und geht danach in Flammen auf. Sammy Pipps, der als Gefangener auf dem Weg zu seiner Hinrichtung ist, sich eigentlich aber Detektiv schimpft, da er schon einige unlösbare Rätsel geknackt hat, nimmt die Drohung ernst. Doch er wird in einem dunklen Verschlag eingesperrt, beauftragt aber seinen Freund und Beschützer Arent Hayes, das Rätsel um den Aussätzigen zu lösen. Und je mehr Arent nach der Lösung forscht, umso mehr Geheimnisse, Intrigen und auch Tote kommen ans Tageslicht.
Stuart Turton hat einen ganz eigenen Schreibstil, der mich von Beginn an in seinen Bann gezogen hat und der diese unheimliche Atmosphäre an Board des Schiffes sehr gut eingefangen hat. Er benutzt schöne Bilder und Metaphern, schreibt zudem sehr lebendig und schafft Charaktere, die vielfältig und unterschiedlich geraten sind, wenn denn auch an mancher Stelle etwas stereotyp und zu modern für die Mitte des 17. Jahrhunderts angelegte Geschichte. Und während die ersten 50 Seiten auch wirklich spannend und fesselnd waren, folgte dann leider ein Teil, der mich überhaupt nicht gepackt hat. Es wird ermittelt und untersucht, Arent holt sich Hilfe bei Sara Wessel, einer sehr intelligenten und auch modern denkenden Ehefrau, die aber gänzlich von ihrem Ehemann unterdrückt wird. Gemeinsam erforschen sie, was der Aussätzige gemeint haben könnte, befragen die unterschiedlichen Mitreisenden genauso wie die Crew an Board, und immer mehr kristallisiert sich heraus, dass der Teufel, der alte Tom, hinter all dem stecken muss. Und es bleibt auch nicht bei dem einen Toten, immer mehr gruselige Gräueltaten geschehen, und immer scheint der alte Tom dahinterzustecken, der seinen blutigen Weg mit einem immer wieder auftauchenden „Teufelszeichen“ markiert. Das klingt erst mal interessant und spannend, aber irgendwie war es immer dasselbe Vorgehen, so dass ich mich an manchen Stellen gelangweilt habe. Man kann gar nicht anders, als an Sherlock Holmes oder auch an Agatha Christie zu denken, denn es gibt nur eine begrenzte Zahl an möglichen Tätern und weglaufen können sie auf dem Schiff nicht. Auch manche Herleitung und Erklärung lassen an Sherlock denken (weil sie aus der Luft gegriffen wirken, abstrus und nicht offensichtlich), und schon alleine die Kombination aus dem pfiffigen Sammy und dem natürlich längst nicht so schlauen Arent erinnert an Holmes und Watson. In diversen Interviews sagt der Autor auch, dass er sich genau darin geübt hat, so zu denken, wie es Sherlock nun mal tut. Mich hat das nur leider nicht packen können.
Die Auflösung des Ganzen hat mir dann aber gefallen – sie ist in sich schlüssig und Fragen bleiben keine offen. In Teilen habe ich mit meinen Vermutungen sogar richtig gelegen, das große Ganze aber habe ich nicht erraten – umso faszinierter ist dann auch die Erklärung all dessen, was alles geschehen ist. Diese Erklärung nimmt auch viel Raum ein, und nach diesen ca. 50 Seiten qualmte mir geradezu der Kopf, weil ich für mich erst mal alles sortieren musste. Aber – es ist wirklich durchdacht und schlüssig, und ich zumindest habe keinen Haken gefunden. Dieser Auflösung folgt dann ein i-Tüpfelchen, das mir leider einiges kaputt gemacht hat. Ich werde natürlich nicht sagen, um was es geht, aber moralisch finde ich das Ende ähnlich bedenklich wie auch in Stuart Turtons erstem Roman und sicher kann man darüber trefflich streiten. Mir hat es gar nicht gefallen und leider auch einen schalen Geschmack nach Zuschlagen der Buchdeckel hinterlassen.
Im Nachwort erklärt der Autor noch einiges zu seinem Werk – als was er es betrachtet und als was eben nicht. Er hatte nicht den Anspruch, einen historischen Roman zu schreiben, da er einiges für seine Geschichte arg zurechtgebogen hat. Es sollte nicht historisch korrekt sein, und überhaupt mag er es nicht, in ein Genre gepresst zu werden. Und das merkt man an vielen Stellen, vor allem aber an der modernen Ausdrucksweise seiner Charaktere und auch an deren modernen Einstellungen. Er hat viel recherchiert (und das glaube ich auch sofort), sich aber dann bewusst gegen einen historisch korrekten Roman entschieden. Vielleicht ein wichtiger Hinweis für alle, die sich in diesem Genre gerne aufhalten.
Wie bewerte ich nun diese großartige gestrickte Geschichte mit einer wunderbaren Atmosphäre, aber auch langatmigen Passagen und einem Ende, das mich enttäuscht? Schwierig – ich glaube, jeder muss selber entscheiden, ob ihn die angesprochenen Punkte stören oder eben nicht. Ich gebe daher 3,5 von 5 Sternen.
Mein Fazit
Eine großartig konzipierte Geschichte, bei der gegen einen großen Dämon gekämpft wird – oder ist es doch ein menschliches Wesen? Auf jeden Fall gilt es, Morde aufzuklären, das ganze spielt auf einem Ostindienfahrer im Jahr 1634 und ist dennoch kein klassischer historischer Roman. Eine fantastische Atmosphäre, ein lebendiger Schreibstil, leider aber auch langatmige Passagen und ein Ende, über das man trefflich streiten kann. Ich gebe 3,5 von 5 Sternen.
WERBUNG: Vielen Dank an Literaturtest und an den Klett-Cotta-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Hallo Sabine,
AntwortenLöscheneine vortreffliche Rezension, die gleichzeitig neugierig macht und zögern lässt. :D Durch Aleshanee bin ich auf das Buch neugierig geworden. Die Holmes-Watson-Hommage lässt mich jetzt zögern und die zähen Abschnitten reizen nur bedingt.
Liebe Grüße,
Nicole
Hi Nicole,
Löschendanke fürs Kompliment. :-) Ja - Aleshanee war sehr begeistert und ich verstehe auch, was ihr so gefallen hat. Ich finde spannend, dass das Buch in unterschiedlichen Ländern so unterschiedlich ankommt - in den USA hat es längst nicht so gut abgeschnitten wie in England, und bei uns ist es ja auch sehr gefeiert.
Kennst du denn sein erstes Buch? Sonst lies doch mal in eine Leseprobe rein, denn der Schreibstil ist wirklich toll und sehr atmosphärisch!
LG Sabine
Hallo Sabine,
Löschenja, ich habe das Hardcastel-Buch sogar als Hörbuch gehört. Es hat mir gefallen, obwohl mich das Ende auch nicht so überzeugt hat. Aleshanee hat dieses Buch hier mit der Matthew-Corbett-Reihe verglichen und die liebe ich heiß. Daher kann ich mir schon vorstellen, dass mir "Der Tod und das dunkle Meer" gefällt. Wahrscheinlich werde ich wieder zum Hörbuch greifen. Mal schauen. Die unterschiedlichen Meinungen fachen die Neugier schon wieder stark an.
Liebe Grüße,
Nicole