29. September 2019

[Rezension] Joey Goebel - "Vincent"

Joey Goebel - Vincent
Gegenwartsliteratur

Verlag: Diogenes-Verlag
Umschlagillustration: Elizabeth Peyton, „Alizarin Kurt“, 1993
ISBN 13: 978-3257236477
Seiten: 433 Seiten
Erschienen: 27. März 2007
Originaltitel: „Torture the Artist“
Übersetzer: Hans M. Herzog, Matthias Jendis

Buchrückentext
„Wußten Sie, daß große Popsongs und Filme von einem unglücklichen, aber genialen Künstler stammen? Und damit einem solchen die Ideen nicht ausgehen, sorgen in diesem Roman ›Beschützer‹ dafür, daß ihm ständig neues Leid widerfährt. Denn das ist der Rohstoff, aus dem wahre Kunst entsteht. Bringt das Genie das Kunststück fertig, trotzdem ein glücklicher Künstler zu werden?“

Meine Meinung
Ich hatte viel Gutes gehört von diesem Roman, mich aber nie wirklich mit dem Inhalt auseinandergesetzt – und so war ich über das Thema dann doch sehr erstaunt. Einmal eingelesen in den für mich zunächst gewöhnungsbedürftigen Stil, hat mich die Geschichte aber gepackt und überzeugen können.

Die Idee des Buches ist genial wie auch bedrückend – ausgehend von der These, dass ein Künstler nur dann Großartiges schaffen kann, wenn er unglücklich ist, bekommt ein vielversprechender junger Mann einen Manager zugeteilt, der genau dafür verantwortlich ist – dem Genie Unglück zu bescheren, damit er überhaupt in der Lage ist, Kunst zu schaffen. 

Ist dieses Buch nun eine Utopie oder eine bösartige Intrige? Folgt man den Erläuterungen des Verantwortlichen, könnte man der Theorie sogar etwas abgewinnen, dennoch ist das Vorgehen mehr als fragwürdig. Und steht am Anfang doch sehr genau dieses „Unglückbringen“ im Vordergrund, sind es im Weiteren dann doch die Beziehungen, die in der Geschichte überzeugen. Manche Beziehungen sind sehr eng, freundschaftlich, viele sind abhängig und erschreckend. Aber schon in der heutigen Zeit ist wahr, dass viele Manschen einfach korrupt und bestechlich sind – egal, wie nah Menschen sich stehen, scheint es nur eine Frage des Preises zu sein, dem geliebten Menschen wehzutun. 

Die Geschichte braucht nicht viele Charaktere, umso intensiver sind diese gezeichnet und gestaltet. Vincent, das gequälte Genie, ist durch und durch sympathisch und natürlich weckt er Mitleid beim Leser, der ja weiß, dass alles Leid bei ihm gemacht und gewollt ist. Er ist einfach eine gute Seele, vertraut trotz aller Widrigkeiten den Menschen und erkennt erst spät, wer sich tatsächlich hinter allem verbirgt. Vincent ist am Anfang der Geschichte noch ein kleiner Junge und so hat der Roman durchaus auch Seiten eines Coming-of-Age Romans. Je mehr Vincent leidet, kommt er das eine oder andere Mal dann auch von seinem rechten Weg ab. 

Der Ich-Erzähler Harlan ist dagegen erst mal ein unsympathischer Kerl, der nur sein eigenes Wohl im Kopf hat und nicht zurückschreckt, anderen weh zu tun. Aber auch er macht eine Entwicklung durch und es fällt ihm zunehmend schwerer, seinen Vertrag als Manager zu erfüllen. Und damit nimmt die Geschichte in der zweiten Hälfte dann auch eine interessante Wendung. 

So genial ich den Roman dann schlussendlich fand, so schwer habe ich mich am Anfang mit ihm getan – die Sprache ist sehr eigen, jugendlich, oft flapsig; für mich sehr gewöhnungsbedürftig und nicht angenehm zu lesen. Weder passte sie für mich zum Ich-Erzähler, dafür war sie mir zu jugendlich, vielleicht eher zum Autor selber, der beim Schreiben seines Romans gerade mal 24 Jahre alt war. Egal wie – ich brauchte etwas Zeit, um mich einzulesen, dann aber ging es und ich habe die Geschichte sehr genossen. Wer also ähnlich empfindet – dranbleiben lohnt sich. Ich gebe diesem Buch 4 von 5 Sternen. 

Mein Fazit
Eine grandiose Idee, die irgendwo zwischen Satire, Fiktion und Utopie rangiert. Mit dem Schreibstil hatte ich anfangs meine Probleme, einmal eingelesen, konnte ich dann aber in der Geschichte abtauchen. Interessant war es, die verschiedenen Beziehungen und ihre Veränderungen zu beobachten, was Geld mit Menschen macht und wie dann letztendlich doch Werte wie Freundschaft und Ehrlichkeit siegen. Ich habe diesen Roman gerne gelesen und gebe 4 von 5 Sternen.


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