28. Juli 2019

[Rezension] Julian Barnes - "Die einzige Geschichte"

Julian Barnes - Die einzige Geschichte
Gegenwartsliteratur

Verlag: Kiepenheuer und Witsch
Umschlaggestaltung: Rudolf Linn, Köln nach dem Originalumschlag von Suzanne Dean für Jonathan Cape
ISBN 13: 978-3-462-05154-4
Seiten: 304 Seiten
Erschienen: 14.2.2019
Originaltitel: „The Only Story“
Übersetzer: Gertraude Krueger

Zum Inhalt
„Die erste Liebe hat lebenslange Konsequenzen, aber davon hat Paul im Alter von neunzehn keine Ahnung. Mit neunzehn ist er stolz, dass seine Liebe zur verheirateten, fast 30 Jahre älteren Susan den gesellschaftlichen Konventionen ins Gesicht spuckt. Er ist ganz sicher, in Susan die Frau fürs Leben gefunden zu haben, alles andere ist nebensächlich. Erst mit zunehmendem Alter wird Paul klar, dass die Anforderungen, die diese Liebe an ihn stellt, größer sind, als er es jemals für möglich gehalten hätte.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Vielleicht hatte ich nach dem grandiosen ersten Satz „Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden, oder weniger lieben und weniger leiden“ einfach zu hohe Erwartungen, denn so richtig hat mich dieses Buch, dessen Idee mich total angesprochen hat, nicht überzeugen können.

Der Plot bietet viel Potential: Der 19-jährige Ich-Erzähler verliebt sich in eine 48-jährige, verheiratete Frau – eigentlich hatten Pauls Eltern sich das anders gedacht, als sie ihn in einen Tennisclub schickten, damit er unter Leute kommt, letztlich aber tolerieren sie diese ungewöhnliche Beziehung – genauso wie der Ehemann von Susan, was mich persönlich sehr überrascht hat.

Erzählt wird die ganze tragische Liebesgeschichte im Rückblick – im ersten Teil schildert Paul die erste Phase der Beziehung. Als Ich-Erzähler sieht er sehr positiv in seine Zukunft an Susans Seite, Probleme scheint es nicht zu geben und schon bald zeihen die beiden zusammen in eine Londoner Wohnung. Erst im zweiten Teil treten dann doch einige Probleme auf, die aber weniger mit dem Altersunterschied des Paares zusammenhängen als denn mit Susan als Person. Interessant fand ich hier vor allem den Perspektivwechsel – mal fungiert Paul als Ich-Erzähler, dann aber wieder gibt es immer wieder Passagen, die in Du-Form geschrieben sind, wodurch ich mich sehr angesprochen und in die Geschichte gezogen fühlte. Der dritte Teil erschien mir eher wie ein langer Epilog, diesmal in Er-Perspektive – Paul verliert sich in Gedanken über die Liebe; die Geschichte selber ist abgeschlossen und wird auch nicht mehr weiter erzählt.

Den Mittelteil fand ich wirklich gut – hier war ich gefesselt, weil es doch ein paar Wendungen gab, die ich nicht erwartet hatte. An manchen Stellen war es richtiggehend spannend, so dass ich unbedingt weiterlesen wollte. Den ersten Teil dagegen fand ich langatmig und ohne jegliche Höhen – dabei bot der Plot dieser ungewöhnlichen Beziehung doch eigentlich genügend Potential,  interessant und vielschichtig zu werden. Und auch der dritte Teil war wieder langatmig, weil er so unstrukturiert und diffus wirkte undeigentlich auch nichts wirklich neues mehr erdacht und formuliert wurde.

Die Sprache Julian Barnes muss man mögen – im positiven Sinne ist sie poetisch und angenehm, im negativen Sinne kann man sie aber auch als weitschweifig und schwülstig bezeichnen. Vom von mir geliebten ersten Satz sollte man sich jedenfalls nicht verleiten lassen, denn es bleibt nicht so tiefgründig, sondern wird tatsächlich blumig und ausufernd mit Pauls ausgiebiger Gedankenwelt. Und obwohl er ja als Ich-Erzähler auftritt, konnte ich mich in seine Gedanken kaum hineinversetzen, vielleicht einfach auch, weil bei ihm diese Beziehung ganz selbstverständlich war und mir nicht klar war, warum Susan nun mal so besonders war, wie er es empfunden hat.

Schade – ich hatte mir von diesem Buch sehr viel versprochen, letztlich wurde ich aber enttäuscht, auch wenn der Mittelteil mich doch fesseln konnte. Ich gebe daher 3,5 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Ein toller erster Satz, der leider mehr verspricht, als das Buch dann letztlich halten kann – nur der mittlere der drei Teile konnte mich wirklich packen, ansonsten war ich eher gelangweilt. Die Sprache muss man mögen – sie ist ausschweifend und blumig, manchmal poetisch, oft aber auch schwülstig. Kein Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen würde – ich gebe 3,5 von 5 Sternen.


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