10. Januar 2017

[Rezension] Gavin Extence - "Libellen im Kopf"

Gavin Extence - Libellen im Kopf
Gegenwartsliteratur

Verlag: Limes-Verlag
Umschlaggestaltung: www.buerosued.de
Umschlagabbildung: Getty Images /Saemilere; www.buerosued.de
ISBN 13: 978-3-809-02634-1
Seiten: 352 Seiten
Erschienen: 14. November 2016
Originaltitel: „The Mirror World of Melody Black“
Übersetzerin: Andrea Ernst

Zum Inhalt
„Alles begann, wie es manchmal eben so ist, mit einem toten Mann. Er war ein Nachbar – niemand, den Abby gut kannte, dennoch: Einen Verstorbenen zu finden, wenn man sich nur gerade eine Dose Tomaten fürs Abendessen ausleihen möchte, ist doch ein bisschen schockierend. Oder sollte es jedenfalls sein. Zu ihrem eigenen Erstaunen ist Abby von dem Ereignis zunächst seltsam ungerührt, aber nach diesem Mittwochabend gerät das fragile Gleichgewicht ihres Lebens immer mehr ins Wanken, und Abby scheint nichts dagegen unternehmen zu können …“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Mich hat ja schon der Debut-Roman von Gavin Extence sehr begeistert, daher war ich neugierig auf sein neues Buch – und wurde auch nicht enttäuscht. Beginnt das Buch sehr skurril, entwickelt es sich zu einer interessanten Geschichte über eine an einer bipolaren Störung erkrankten Protagonistin.

Sie ist es auch, die ihre Geschichte erzählt – in Ich-Form nimmt Abby den Leser mit auf eine Achterbahnfahrt ihrer Gefühle. Nachdem sie ihren Nachbarn tot in seiner Wohnung auffindet, gerät ihr eigenes Leben aus den Fugen. Hat sie sich bisher ganz gut ihrem Alltag als Journalistin stellen können, rutscht sie fortan langsam mehr und mehr in eine manische Phase – und nur mühsam kann ihr Lebensgefährte Beck sie hierin erreichen und ihr helfen.

Mich hat diese Geschichte sehr beeindruckt. Durch die Ich-Perspektive habe ich mich sehr gut in Abby hineinversetzen können und auch wenn einige ihre Handlungen und Gedanken alles andere als normal sind, habe ich doch mit ihr gefühlt. Ich fand es sehr interessant, Abby in ihrer manischen Phase zu begleiten, dann aber auch ihren Absturz mitzuerleben und ihr langsames Wiedereintreffen in der Normalität. Dabei haben mich vor allem ihre Gefühle sehr beeindruckt – denn aus Sicht des Betroffenen stellt sich so eine manische Phase doch noch mal ganz anders dar als aus Sicht eines Außenstehenden. Abbys innere Qual, die Manie aufzugeben, sich der Normalität und vielleicht auch Langeweile zu stellen, zu unterscheiden, was ist noch normal und was ist schon Ausdruck der Krankheit, was ist Spaß am Leben und was ist Manie – alles das war für mich sehr interessant zu verfolgen und hat mir die Krankheit der bipolaren Störung sehr nahe gebracht.

Dabei ist das Buch jetzt keine trockene Abhandlung über diese Erkrankung, sondern eine spannende Charakterzeichnung – ich zumindest konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen, so gefesselt war ich von der Geschichte. Ich wollte unbedingt wissen was mit Abby weiter geschieht, wie sie sich mit der Krankheit und ihrem Leben arrangiert. Dabei hat mir vor allem gut gefallen, dass die Geschichte so realitätsnah war, dass ich sie mir genau so auch im realen Leben vorstellen konnte und nichts irgendwie zu konstruiert oder abgehoben wirkte.

Abbys Charakter ist sehr fein gezeichnet und ich habe mich gut in sie hineinversetzen können. Zwar hätte ich nicht immer gehandelt wie sie, aber sie hat mich tatsächlich an die Hand genommen und mich in ihre Gedankenwelt entführt. Aber auch andere Charaktere haben mir sehr gut gefallen – wie zum Beispiel Abbys Lebensgefährte Beck, der so authentisch rüberkommt mit seiner Hilflosigkeit im Umgang mit der Erkrankung und seiner tiefen Liebe zu seiner Lebensgefährtin. 

Der Schreibstil ist locker und umgangssprachlich und machte es mir nochmal leichter, mich in die Geschichte hineinzufühlen. Das Buch hat sich sehr flüssig lesen lassen, und so sind die Seiten rasch dahingeflogen.

Lediglich der Zusammenhang zwischen dem Anfang des Buches und Abbys neuer Bekanntschaft war mir ein wenig zu weit hergeholt, das hätte aus meiner Sicht nicht sein müssen, denn gebraucht hätte die Geschichte das nicht. Dafür finde ich den Titel sehr gut gewählt und „Libellen im Kopf“ gefällt mir viel besser als der Originaltitel „The Mirror World of Melody Black“. Insgesamt hat mir das Buch wirklich sehr gut gefallen und ich gebe gerne gute 4 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Ein wunderbares Buch, dass den Leser entführt in die Gedanken- und Gefühlswelt einer Protagonistin, die an einer bipolaren Störung leidet. Durch die Ich-Erzählperspektive wurde ich richtig hineingezogen in die Geschichte, die authentisch und sehr glaubhaft erzählt ist. Der umgangssprachliche Schreibstil lässt sich flüssig lesen und die ausgefeilten Charaktere sind sehr sympathisch. Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen und ich gebe gute 4 von 5 Sternen.

Vielen Dank an den Limes-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars.

2 Kommentare:

  1. Hallo ;)

    Schön das dir das Buch auch so gut gefallen hat wie mir! ich freu mich schon auf einen weiteren Roman von Extence. Bin gespannt welches Thema er dann aufgreift.

    Das mit den Handlungen die man selbst so nie gemacht hat, ist logisch. Wir leiden ja zum Glück nicht an dieser Störung. Was die Bekanntschaft angeht, ja, das hätte nicht umbedingt sein müssen, ist wirklich etwas weit hergeholt aber eben, manchmal passieren dennoch solche Dinge *gg* Wie oft sagt man zu jemandem, du glaubst nicht was ich grade erlebt habe ;) oder man bekommt es zu hören. Für mich tat es aber auf alle Fälle keinen Abbruch. Ich habe das Buch schon öfters empfohlen und eine Kundin kam extra wieder um sich dafür zu bedanken weil es ihr so gut gefallen hat.

    Liebe Grüsse
    Alexandra

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    1. Ja - du hast recht - es geschehen tatsächlich oft Dinge, die man sich eigentlich nicht vorstellen kann. Da bin ich in Romanen tatsächlich manchmal etwas streng - aber der Lesefreude hat es in diesem hier auch keinen Abbruch getan.

      Ich bin auch schon gespannt, was es als nächstes aus der Feder von Gavin Extence gibt.

      Arbeitest du im Buchhandel?

      LG Sabine

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