20. Dezember 2016

[Rezension] Mary Morris - "Die Musik der verlorenen Kinder"

Mary Morris - Die Musik der verlorenen Kinder
Historischer Roman

Verlag: Aufbau-Verlag
Umschlaggestaltung: www.buerosued.de unter Verwendung von Motiven von © AKG images /TT NewsAgency und © getty images /Photolibrary
ISBN 13: 978-3-746-63272-8
Seiten: 380 Seiten
Erschienen: 5. Dezember 2016
Originaltitel: „The Jazz Palace“

Buchrückentext
„Amerika, um 1920: Fasziniert von der neuen Musik, die ganz Chicago erobert, widersetzt sich Benny Lehrman dem Willen seines Vaters und kämpft darum, Pianist werden zu dürfen. Im Nachtclub der Familie der jungen Pearl findet er Zuflucht, Freundschaft – und erlebt seine erste Liebe. Doch schon bald steht er vor der Wahl zwischen der Musik und denen, die ihm nahestehen.“

Meine Meinung
Schon Cover und Titel haben mich neugierig gemacht, der Klappentext versprach mir dann eine interessante Geschichte angesiedelt in Chicago, in den 20er Jahren.

Und zu Anfang hat mich das Buch auch sehr fasziniert – die Autorin hat mich eingesogen in diese andere Zeit und sie mich beim Lesen spüren lassen. Sie schreibt voller Atmosphäre, lässt die Zeit aufleben, so dass ich beim Lesen viele Bilder im Kopf, vor allem aber auch Melodien im Ohr hatte. Voller Lebendigkeit und Begeisterung beschreibt sie historisch wahres und frei erdachtes, es gibt fiktive Figuren genauso wie gelebte Persönlichkeiten, und es war schön, immer wieder auf Bekannte oder Bekanntes zu stoßen – der Flair Chicagos ist einfach spürbar, die Geschichte voller Musik.

Vermisst habe ich in diesem Buch aber leider die Geschichte selber, einen roten Faden, wohin sie führen soll. Der Klappentext hat mich denken lassen, dass der junge Benny Lehrmann, dem die Musik weit mehr am Herzen liegt als die langweilige Tätigkeit in der Fabrik seines Vaters, und die junge von Schicksalsschlägen geplagte Pearl im Mittelpunkt stehen, doch sie scheinen nur am Rande zu laufen, während es tatsächlich die Musik ist, die den Mittelpunkt der Geschichte bildet.

Obwohl die Autorin sich viel Zeit gelassen hat, die verschiedenen Figuren einzuführen, sind sie mir leider immer fremd geblieben und keinen von ihnen habe ich wirklich ins Herz geschlossen – das ist erstaunlich, da alles, was in diesem Buch irgendwie mit Musik zu tun hat, sehr intensiv und eindringlich beschrieben ist und mich sehr berührt hat; die Figuren aber konnten mich leider nicht mitreißen, weil sie irgendwie immer am Rande zu stehen schienen. Da ich leider nicht mit ihnen gefiebert habe, hat sich dann auch der Lesesog bei mir verloren – zwar habe ich immer die wunderbare Atmosphäre gespürt, das Vibrieren der Musik, die nur wenig vorhandene Handlung aber konnte mich leider nicht fesseln oder mitreißen. Mich stört sonst nicht, wenn Geschichten ruhig sind, aber ich möchte einen roten Faden fühlen, wohin die Reise geht – und diesen habe ich hier leider nie packen können.   

Als Filmvorlage ist dieses Buch bestens geeignet, weil es schon beim Lesen viele Bilder im Kopf entstehen lässt, die Geschichte selber konnte mich leider nicht fesseln. Wer sich also an dieser besonderen Stimmung der 20er Jahre in Amerika erfreuen kann, einen atmosphärisch dichten Schreibstil mag und sich darein fallen lassen kann, und wem die Handlung einer Geschichte nicht so wichtig ist, dem empfehle ich dieses Buch gerne – mich hat es nur in Teilen überzeugt, daher gebe ich 3,5 von 5 Sternen. 

Mein Fazit
Die Stimmung und Atmosphäre in dem Buch ist fantastisch, man fühlt sich versetzt in verrauchte Spelunken, in die 20er Jahre nach Chicago, man kann die Musik beim Lesen spüren und die Melodien hören – die Handlung bleibt da leider etwas auf der Strecke, und ich habe beim Lesen einen roten Faden vermisst. An Jazz- und Bluesliebhaber würde ich dieses Buch dennoch empfehlen, weil es wie eine Hommage an die Musik der 20er Jahre erscheint, ich hätte mir ein wenig mehr Handlung gewünscht und gebe deshalb 3,5 von 5 Sternen.

Vielen Dank an den atb-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. 

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