19. Februar 2016

[Rezension] Thomas Hardy - "Am grünen Rand der Welt"

Thomas Hardy - Am grünen Rand der Welt
Klassiker

Verlag: dtv
Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen
Umschlaggestaltung und -illustration: Petra Börner
ISBN-13: 978-3-423-14401-8
Seiten: 423 Seiten
Erschienen: 1. Mai 2015
Originaltitel: „Far from the Madding Crowd“
Übersetzer: Peter Marginter, Roswith Krege-Mayer

Zum Inhalt 
„Als sie zu ihrer Tante in ein kleines Dorf im Südwesten Englands zieht, wirkt die stolze Schönheit Bathsheba Everdene wie eine Exotin. Sie schart eine Reihe von Verehrern um sich, darunter den bescheidenen Schäfer Gabriel Oak, den wohlhabenden Farmer William Boldwood und den charmanten Soldaten Francis Troy. Doch welcher ist der Richtige?“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ich hatte keine großen Erwartungen an das Buch, das ich geschenkt bekommen habe, fand aber das Cover sehr ansprechend. Und da ich ja eh häufiger Klassiker lesen wollte, habe ich es mit diesem versucht.

Den Einstieg in die Geschichte fand ich sehr schwierig – nicht so der Geschichte wegen, sondern wegen des Schreibstils. Die Sätze sind lang, oft sehr verschachtelt, dazu liebt der Autor Beschreibungen, die häufig sehr ausufernd sind und für die Geschichte in diesem Ausmaß auch nicht notwendig gewesen wären. Mir ist schon klar, dass der Schreibstil auch der Zeit geschuldet ist, in der das Buch geschrieben wurde, dennoch aber fand ich ihn sehr ausschweifend und bin einfach nicht gut klargekommen damit. Es hat lange gedauert, etwa bis zur Hälfte des Buches, bis ich mich damit arrangieren konnte, aber Freude hatte ich an diesen ausschweifenden Erklärungen und Beschreibungen beileibe nicht. Dazu kommt, dass am Anfang auch noch nicht viel passiert, eher die Szenerie und die Menschen beschrieben werden. Gefesselt hat mich das gar nicht und ich konnte das Buch gut und gerne beiseitelegen – erst ab der Hälfte dann wurde es interessanter und die Geschichte hat mich gepackt. Mir schien, dass endlich Schwung in die Handlung gekommen und vieles passiert ist – und das hat sich dann auch bis zum Ende nicht mehr geändert, so dass ich die zweite Hälfte wirklich genossen habe und von der Geschichte gepackt war.

Die Charaktere sind gut gezeichnet, wenn auch völlig unglaubwürdig (auch für die damalige Zeit), so dass ich mich nur schlecht in sie hineinversetzen konnte. Irgendwie wirkten sie aber auch ein wenig überzeichnet, ihr Handeln war oft so dramatisch und theatralisch, dass ich mich häufig eher wie beim Lesen einer alten Komödie gefühlt habe als denn in einem Roman. Der Schäfer Oak war da noch der Bodenständigste, auch wenn seine bedingungslose Liebe zu Bathsheba über Monate hinweg für mich nicht glaubhaft war, zumal sie nicht gerade nett mit ihm umgesprungen ist. Ganz anders waren da Farmer William Boldwood und der Soldat Francis Troy – beide auf ihre Weise gestandene Männer, aber beide waren sie unentschlossen und haben sich gerne ihren unerwiderten Gefühlen in aller Theatralik hingegeben – und waren sich da auch des Winselns und Jammerns nicht zu schade. Zunächst hat mich das sehr erstaunt, letztlich aber musste ich dann nur noch drüber lachen und irgendwie wirkten die beiden wie Witzfiguren neben der nicht nur schönen, sondern auch entschiedenen Bethsheba. Auch mit ihr wurde ich aber leider nicht richtig warm, da sie doch sehr mit den Männern spielte. Interessant bei ihr fand ich aber, dass sie einerseits eine gestandene Frau war, die sich in der Männerwelt durchzusetzen versuchte, sie sich dann aber an anderen Stellen benahm wie ein junges, pubertierendes und verwöhntes Mädchen. 

Die Geschichte nimmt in der zweiten Hälfte richtig Fahrt auf und es gibt einige überraschende Wendungen, die ich in keinster Weise vorhergesehen habe. Dabei ist die ganze Geschichte zunehmend theatralisch und dramatisch, und hätte ich es nicht mit einem lachenden Auge gesehen, hätte ich das wohl auch als etwas übertrieben empfunden. Am Schluss aber wurde ich dann wieder besänftigt, denn letztlich ist dann doch noch das eingetreten, was ich mir von Anfang an gewünscht habe.

Was mir aber sehr gut gefallen hat, ist der Schalk, mit dem Thomas Hardy schreibt. Immer wieder blitzt eine Ironie zwischen den Zeilen hindurch, die mich hat kurz innehalten lassen, manchmal fand ich sogar sarkastische Zeilen, die mich zum schmunzeln gebracht haben. Diese Töne sind aber nur sehr leise zwischen der romantisch-tragischen Geschichte, haben mir aber sehr gut gefallen. 

Insgesamt bin ich froh, durchgehalten zu haben und wegen des für mich mühsam zu lesenden Schreibstils nicht frühzeitig abgebrochen zu haben, denn letztlich hat mir die Geschichte dann doch gefallen. Ich gebe diesem Buch knappe 4 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Wenn man sich mit dem ausschweifenden und blumigen Schreibstil, der sich zudem durch lange und verschachtelte Sätze auszeichnet, arrangieren kann, bietet dieses Buch eine interessante, wenn auch tragische und sehr dramatische Liebesgeschichte. Die Charaktere sind schon sehr speziell und auch etwas überzogen gezeichnet, dafür aber hat die Geschichte in der zweiten Hälfte einen merkwürdigen Sog auf mich ausgeübt, so dass ich das Buch dann in einem Rutsch beendet habe, nachdem ich mich in der ersten Hälfte doch etwas gequält habe. Letztlich gebe ich dem Buch knappe 4 von 5 Sternen, würde aber jedem empfehlen, eine Leseprobe anzuschauen, ob man mit dem Schreibstil klarkommt.


3 Kommentare:

  1. Gefunden!^^
    Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Schreibstil so manche Probleme mit sich bringt. Nun habe ich ja `nur´ die Verfilmung gesehen und dennoch ähneln sich unsere Gedanken dazu, vor allem, wenn es um die Protagonistin geht. Wenn du hier schon von "dramatisch und theatralisch" schreibst, bin ich regelrecht neugierig darauf, wie es bei "Tess" sein wird. Ich glaube, das Buch werde ich als erstes lesen.
    Danke für den Einblick. ;-)
    Liebste Grüße, Hibi

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    1. Ich war bei diesem Buch wirklich sehr hin und her gerissen - manches fand ich gut, manches sehr überzogen. Lohnt denn der Film? Vielleicht schaue ich mir den mal an...

      LG Sabine

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    2. Ich habe mir den Film aus der Bib mitgenommen. Er ist nicht anspruchsvoll, sondern unterhält, bezaubert mit dem Setting und lässt einen an der Prota so manches Mal zweifeln. Und vielleicht steht man aus Versehen auf Gabriel.^^

      Apropo Film: neu eingezogen in die Bib: "Madame Bovary"
      Die steht ja immer noch aus bei uns und ich hatte mich schon gefreut, dass auf dem neuen Reader für meine Schwiegermama das Buch als Gratis-eBook drauf war. Jetzt bin ich ja leicht dazu versucht, zu schummeln und den Film anzuschauen.^^

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