26. April 2015

[Rezension] Ian McEwan - "Der Trost von Fremden"

Ian McEwan - Der Trost von Fremden
Roman

Verlag: Diogenes-Verlag
Umschlagillustration: David Hockney, „Die zweite Hochzeit“, 1963 (Ausschnitt)
ISBN-13: 978-3-257-21266-2
Seiten: 189 Seiten
Erschienen: 1985

Buchrückentext
„Hochsommer in Venedig, die Stadt ist von Touristen überschwemmt. Auch Mary und Colin sind hier in Urlaub. Jeden Abend sitzen sie auf dem Balkon ihres Hotels und blicken hinaus auf den Kanal. Dann machen sie sich zurecht für ihre Dinnerspaziergang durch die Stadt: Mit peinlicher Sorgfalt wählen die ihre Garderobe – als warte irgendwo unter den Tausenden, zu denen sie sich gesellen werden, jemand, dem viel an ihrer äußerlichen Erscheinung liegt. Auch an diesem Abend verlieren sie sich im Gewirr der Kanäle und engen Gassen. Noch sind sie dem Fremden nicht begegnet; noch ahnen sie nicht, dass sie beide bereits Teil seiner Geschichte sind.“

Meine Meinung
Ich hatte große Erwartungen an dieses Buch, da mir „Abbitte“ von Ian McEwan richtig gut gefallen hat – leider aber muss ich sagen, dass ich enttäuscht bin.

Der Einstieg in die Geschichte gelingt gut und auch wenn eigentlich nicht viel passiert, war ich doch gefesselt und wurde vom Schreibstil des Autors geradezu aufgesogen. Doch die Geschichte um das langjährige Paar Mary und Colin, die ihren Urlaub in Venedig verbringen und sich dort gepflegter Langeweile hingeben, wird immer abstruser und entwickelt sich dann schließlich in eine Richtung, die ich einfach nicht mochte. Ich will anderen Lesern nichts vorwegnehmen und daher vom Inhalt nicht mehr verraten, mir aber wurde in der zweiten Hälfte des Romans Gewalt zu sehr verherrlicht, so dass ich eher abgestoßen war vom Verlauf der Geschichte als fasziniert oder gefesselt. Das Ende hat dem ganzen dann noch eins drauf gesetzt und das Thema wahrlich auf die Spitze getrieben.

Den Schreibstil dagegen fand ich grandios: anspruchsvoll und detailliert und mit einer auf mich unglaublichen Sogwirkung. Fasziniert hat mich vor allem die Fähigkeit des Autors, Banalitäten und Alltäglichkeiten so zu schildern, dass sie wie etwas Außergewöhnliches und Bedeutendes erscheinen. Ich denke, dieser Schreibstil kann nicht jeden begeistern, ich aber fand ihn – wenn auch nicht immer leicht lesbar durch lange und verschachtelte Sätze – toll und beeindruckend.

Auch die Charaktere sind sehr gut gezeichnet – auch wenn sie mir nicht unbedingt sympathisch waren oder gar ans Herz gewachsen sind, waren sie doch sehr ausgefeilt und auf eine ganz eigene Weise tiefsinnig.

Insgesamt jedoch bleibt bei mir nach dem Lesen ein schaler Nachgeschmack – und auch der grandiose Schreibstil hat die thematisch mich abstoßende Geschichte nicht wettmachen können. Ich bin leider sehr enttäuscht und gebe dem Buch daher nur 2/5 Sternen.


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