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[Rezension] Mechtild Borrmann - "Trümmerkind"

Mechtild Borrmann - Trümmerkind
2 Zeitebenen, Gegenwartsliteratur

Verlag: Droemer-Knaur-Verlag
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Umschlagabbildung: Getty Images /Ernst Haas
ISBN 13: 978-3-426-28137-6
Seiten: 301 Seiten
Erschienen: 2. November 2016

Zum Inhalt 
„Der kleinen Hanno Dietz schlägt sich mit seiner Mutter im Hamburg der Nachkriegsjahre durch. Steine klopfen, Altmetall suchen, Schwarzhandel - das ist sein Alltag. Eines Tages entdeckt er in den Trümmern eine Tote – und etwas abseits einen etwa dreijährigen Jungen, der erstaunlich gut gekleidet ist. Das Kind spricht kein Wort, Verwandte sind nicht auffindbar. Und so wächst das Findelkind bei den Dietzens auf. Jahre später kommt das einstige Trümmerkind durch Zufall einem Verbrechen auf die Spur, das auf fatale Weise mit seiner Familie verknüpft ist …“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Mechtild Borrmann gehört mit zu meinen Lieblingsautorinnen und auch mit ihrem neuen Buch hat sie mich nicht enttäuscht. Wieder ist es zunächst eine eher ruhige Geschichte, die mich aber doch von Anfang an fesseln konnte und dann im letzten Drittel spannend wird wie ein Krimi.

Das Buch hat drei Erzählstränge, die zunächst nebeneinanderherlaufen, dann aber ineinandergreifen und am Schluss einen dicken Strang ergeben. 

Das Buch beginnt in der Nachkriegszeit, als Frauen und Kinder sich irgendwie durchs Leben geschlagen haben. So auch Agnes Dietz mit ihren Kindern, die regelmäßig die Trümmer nach Brauchbarem durchsuchen, was sich entweder essen oder verbrennen lässt oder was man auf dem Schwarzmarkt eintauschen kann. Ein weiterer Erzählstrang spielt im Jahr 1945 in der Uckermark, hier ist es die Familie Anquist, die sich durchs Leben beißt und kämpft. Der dritte Erzählstrang spielt in den 90er Jahren. Hier macht sich die Lehrerin Anna auf die Suche nach ihren Wurzeln – doch ihre Mutter will einfach nichts preisgeben und scheint irgendwas zu verbergen. Ein Besuch auf einem alten Gutshof bringt dann ganz neue Aspekte ans Tageslicht.

Die einzelnen Geschichten beginnen zunächst alle sehr ruhig, und trotzdem war ich von Anfang an gefesselt, einfach weil die Geschichten so eindringlich erzählt werden, dass ich immer wissen wollte, wie es weitergeht. Zunächst scheinen die drei Erzählstränge nichts miteinander zu tun zu haben, doch nach und nach verweben sie miteinander und fügen sich schließlich zusammen. Doch während es am Anfang sehr ruhig zugeht, ist das letzte Drittel sehr spannend und schon fast einem Krimi gleich – und es gelingt der Autorin, tatsächlich alle Fragen zu lösen und ein großes Ganzes entstehen zu lassen, in dem keine Fragen offenbleiben oder irgendetwas ungereimt bleibt.

Das Buch hat gar nicht so viele Seiten und trotzdem sind die Charaktere wieder sehr gut gelungen und sehr fein gezeichnet. Zwar sind nicht alle gleich sympathisch, dafür aber konnte ich mich in jeden hineinversetzen, einfach weil man sie nach und nach kennenlernt mit all ihren Ecken und Kanten – so konnte ich manch eher verwerfliche Tat durchaus nachvollziehen, wenn auch nicht gutheißen.

Auch in diesem Buch wird wieder deutlich, wie viel die Frauen und Kinder in der Nachkriegszeit geleistet haben – sie haben sich nicht zurückgezogen und gewartet, sondern haben angepackt und organisiert, sie waren trotz aller widriger Umstände kraftvoll und haben nicht aufgegeben. Vielleicht waren sie nicht immer optimistisch, aber dennoch haben sie zugepackt und sich nicht unterkriegen lassen – ich finde das bewundernswert und bin immer wieder beeindruckt von solcher Schaffenskraft.

Die Autorin hat einen Schreibstil, der mich auch dieses Mal wieder überzeugt hat – sie erzählt schnörkellos und atmosphärisch dicht, die Schilderungen gerade auch zur Nachkriegszeit waren sehr überzeugend, ich zumindest hatte viele Bilder im Kopf und fühlte mich in diese kraftzehrende Zeit hineinversetzt. Die eindringlichen Schilderungen haben mich wirklich sehr berührt, die Sprache ist kraftvoll und direkt und dabei aber angenehm und flüssig zu lesen.

Ein fesselndes Buch, das trotz der schwierigen Themen gut unterhält und Mut macht – ich gebe 4 von 5 Sternen und kann es jedem empfehlen, der sich gerne mit dieser Zeitepoche beschäftigt. 

Mein Fazit
Was zunächst als ruhige Nachkriegsgeschichte beginnt, entwickelt sich nach und nach zu einem spannenden Krimi, in dem drei Erzählstränge nach und nach zusammenlaufen und am Ende einen dicken roten Faden bilden. Die eindringliche Sprache hat vor meinem Auge viele Bilder entstehen lassen, die Charaktere sind trotz der Dünne des Buches sehr fein gezeichnet, die Sprache ist eindringlich und schnörkellos, dabei aber gut lesbar – mich hat auch dieses Buch der Autorin wieder überzeugen können, deshalb gibt es von mir 4 von 5  Sternen. 

Vielen Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars.

5 Kommentare:

  1. Eine wirklich tolle Rezension, Sabine. Danke dafür.
    Bisher habe ich `nur´ "Die andere Hälfte der Hoffnung" von Mechtild Borrmann gelesen und fand es sehr beeindruckend. "Der Geiger" habe ich mir vorgenommen und ganz sicher wird auch dieses Buch bei mir einziehen.
    Liebste Grüße, Hibi

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    1. "Der Geiger" war toll - das war mein erstes Buch der Autorin! Kann ich sehr empfehlen und bin schon neugierig, was du sagen wirst. Ich liebe einfach diese dichte Atmosphäre die in ihren Büchern immer herrscht und diesen eindringlichen Schreibstil!

      LG Sabine

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    2. Hier warte ich auf Martina, die das Buch auch gern lesen wollte, aber vorerst mit LR überhäuft ist. Die Neugier bleibt bis dahin.
      Liebst, Hibi

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  2. Anfangs hat mich das Buch nicht interessiert, aber je mehr ich darüber lese, desto mehr muss ich es haben. Du hast nun auch dein Schäuflein dazu beigetragen.

    Liebe Grüße,
    Nicole

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    1. Das freut mich! Hast du schon anderes von der Autorin gelesen? Ich mag die Bücher ja sehr - sie hat einfach einen tollen Schreibstil, der so viel Atmosphäre scahfft!

      LG Sabine

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